Praxisabgabe ist ein heißes Eisen

Erschienen in: Ärztliche Praxis Dermatologie 5,  September-Oktober 2000, S.  41

 

Auch rückständige Lohnsteuern müssen im Vertrag bedacht sein

 

Kurz vor dem Ruhestand, wird es aufregend. Der Verkauf der Praxis  steht  an. ÄP  Dermatoloqie nennt Ihnen Punkte die unbedingt in den Übergabevertraq gehören.

 

1.    Gegenstand des Praxisübergabevertrages:

 

Hierbei handelt es sich um die Einrichtung (materieller Praxiswert) und die Patientenkartei mit sämtlichen Unterlagen (ideeller Praxiswert. Für den

materiellen Praxiswert empfiehlt es sich, das Eigentum an den verkauften Gegenständen bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises einschließlich Zinsen vorzubehalten. Beim ideellen Praxiswert ist das nicht möglich.

Die Patienten müssen vorher zustimmen, daß ihre Daten an den Praxisnachfolger weitergereicht werden. Die Erlaubnis muß der Praxisübergeber einholen. Dafür verlangt das Bundesdatenschutzgesetz die Schriftform sowohl für eine EDV-als auch für eine manuell geführte Kartei.

 

Wenn  Patienten einer Weitergabe nicht zustimmen, ist es sinnvoll, eine Verwahrungsklausel in den Vertrag aufzunehmen. Der Verkäufer sollte sich darin zusichern lassen, daß die betreffenden Akten in einem separaten Schrank in der Praxis lagern, zu dem er Zugang hat. Eventuelle Vertragsverstöße sind durch Vertragsstrafe abzusichern.

 

2.    Praxisräume:

 

Für die Praxisräume gibt es keinen besonderen Mieterschutz. Ist der Verkäufer Eigentümer, sollten Mietbeginn, Laufzeit und Preis bereits im Praxisübergabevertrag angesprochen werden. Zusätzlich muß ein separater Mietvertrag abgeschlossen werden.

Ist der Verkäufer Mieter, der Räume, sollte er die schriftliche Zustimmung seines Vermieters einholen, die Räume an den Nachfolger weiterzuvermieten.

 

3.    Arbeitsverhältnisse:

 

Nach § 613 a BGB übernimmt der Nachfolger alle Rechte und Pflichten aus den bestehenden Arbeitsverhältnissen. Dies kann im Praxisübergabevertrag nicht ausgeschlossen werden. Der Verkäufer haftet auch über den Vertragsabschluß hinaus für rückständige Beiträge zur Sozialversicherung und rückständige Lohnsteuer. Außerdem ist die Praxisaufgabe kein Kündigungsgrund.

 

4.    Weitere Verträge:

 

Auch daran muß der Verkäufer denken:

 

Der Nachfolger ist in andere bereits bestehende und laufende Verträge einzusetzen. Dazu gehören Leasingverträge (EDV, Telefonanlage), Telefonanschlußvertrag mit der Deutschen Telekom (die bisherige Nummer bleibt erhalten), Kaufverträge (regelmäßige Lieferungen, lose Blattsammlungen), Verträge über den Bezug von Strom und Wasser, Versicherungsverträge (z. B. Berufshaftpflicht), Betriebsunterbrechungsversicherung, Glas-Versicherung, EDV-Versicherung. Die jeweiligen Vertragspartner des Verkäufers müssen zustimmen, daß der Nachfolger in den entsprechenden Vertrag eintritt.

 

Übernimmt der Nachfolger Darlehensverträge zur Finanzierung des Praxisinventars, muß die finanzierende Bank ihr Einverständnis geben. Es kann bei Gestaltung des Übergabevertrags ein besonderes Bonbon sein, wenn der Verkäufer seine günstigen Zinsen auf den Nachfolger übertragen kann.

 

5. Kaufpreis:

Den ideelen und materiellen vom Praxiswert zu trennen, ist schon aus steuerlichen Gründen sinnvoll. Aus eigenem Interesse sollte der Verkäufer darauf achten, daß der Kaufpreis möglichst schnell fällig und dessen Zahlung abgesichert wird. Idealerweise bestätigt die Bank die Finanzierung oder übernimmt eine selbst-schuldnerische Bürgschaft. Wird der Kaufpreis in Raten bezahlt, so sollten ein Rücktrittsrecht und eine Verfallsklausel eingebaut werden.

 

Für den Verkäufer ist es wichtig zu vereinbaren, daß der Nachfolger die Praxis oder Teile der Praxis nicht an einen Dritten weiterveräußern darf, bevor er den  Kaufpreis vollständig bezahlt hat. Auch eine Klausel für den Todesfall oder die Berufsunfähigkeit des Käufers ist sinnvoll. Diese sollte das Rücktrittsrecht des  Verkäufers vorsehen. 

 

6. Freier Verkauf: Das war einmal

 

Diese rechtlichen Punkte müssen Sie beachten, wenn Sie Ihre Praxis abgeben.

 

Gemäß Paragraph 103 Abs. 4 und 5 SGB V kann der Verkäufer den Nachfolger nicht mehr frei wählen und mit ihm den Kaufpreis aushandeln. Die KV muß den Vertragsarztsitz in den amtlichen Blättern ausschreiben. Den Praxisübergabevertrag muß der Verkäufer der zuständigen Ärztekammer (§ 24 MBO-Ä) vorlegen.

 

Grundsätzlich gibt es für den Praxisübergabevertrag keine Formvorschriften. Das heißt, der Notar muß den Vertrag nicht beurkunden. Ausnahme: Mit der Praxis wird ein dazugehöriges Grundstück übergeben. Dann muß neben dem Grundstückskaufvertrag auch der Praxisübergabevertrag notariell beurkundet werden.

 

Der Verkäufer ist außerdem verpflichtet, die Praxis frei von Rechten Dritter abzugeben. Dabei handelt es sich in der Regel um Eigentumsvorbehalte von Lieferanten und bei der Finanzierung der Praxiseinrichtung um Sicherungsübereignungsverträge.

 

RA Herbert Wild