Spritzen ist Körperverletzung

 

Nur, wenn Sie den Patienten umfassend aufklären, sichern Sie sich ab!

Erschienen in: Ärztliche Praxis Urologie Nephrologie 5, September-Oktober 2000, Seite 41

 

Juristisch gesehen erfüllen viele ärztliche Behandlungsmethoden wie etwa Spritzen oder Operationen den Tatbestand der Körperverletzung. Das bedeutet, daß die Handlung des Arztes rechtswidrig und strafbar ist. Doch eine umfassende Aufklärung vor dem Eingriff und die Einwilligung des Patienten in die entsprechende Maßnahme sichern den Arzt ab.

Ein Arzt ist verpflichtet, seinen Patienten über Art, Ablauf, Ziel, Folgen, Nebenwirkungen, Alternativen (Konservative Behandlung - Operation) und Risiken einer Behandlung aufzuklären. Auch äußerst selten auftretende Folgen und Risiken müssen im Gespräch erwähnt werden. Denn der Patient soll in freier Selbstbestimmung entscheiden, ob er das Risiko eines ärztlichen Eingriffs eingehen möchte.

 

Eine Aufklärung über das Für und Wider einer ärztlichen Maßnahme muß rechtzeitig vor einem Eingriff erfolgen. Es sei denn, es liegt ein Notfall vor. Hintergrund: Der Patient soll in der Lage sein, ohne zeitlichen Druck zu entscheiden.

 

Dabei wird unterschieden zwischen Maßnahmen die weniger belastend für den Patienten sind und Maßnahmen die mit größeren Belastungen verbunden sind. In dem Fall sollte die Aufklärung spätestens am Vortag vor dem Eingriff erfolgen.

 

Bei ambulanten Eingriffen genügt eine Aufklärung am Tag des Eingriffs. Das gilt jedoch dann nicht, wenn die Aufklärung erst so unmittelbar vor dem Eingriff erfolgt, daß der Patient den Eindruck gewinnt, sich nicht mehr aus einem bereits in Gang gesetzten Ablauf der Behandlung lösen zu können. Das hat der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Urteil zum Thema Aufklärungspflicht bei Routineimpfungen entschieden.

 

Grundsätzlich muß der Arzt seinen Patienten in einem persönlichen Gespräch aufklären. Dies schließt jedoch nicht die Verwendung von Merkblättern aus, in denen die notwendigen Informationen zu dem Eingriff einschließlich der Risiken schriftlich festgehalten sind.

 

Derartige schriftliche Hinweise sind in der heutigen Zeit üblich. Sie werden vor allem für eine präzise und umfassende Beschreibung des Aufklärungsgegenstandes benutzt. Darüber hinaus dienen sie dem Arzt dazu, ein Beweismittel in den Händen zu haben.

 

Die Merkblätter ersetzen aber in jedem Fall nicht das Gespräch zwischen Arzt und Patient. Hier muß sich der Arzt davon überzeugen, daß der Patient die schriftlichen Hinweise gelesen und verstanden hat. Das Aufklärungsgespräch gibt dem Arzt die Möglichkeit, auf die individuellen Belange des Patienten einzugehen und mögliche Fragen zu beantworten. Die Einwilligung zu dem Eingriff sollte der Patient dann schriftlich geben.

 

Der Patient kann auch auf seine Aufklärung verzichten. Dies sollte sich der Arzt jedoch schriftlich bestätigen lassen.

 

Bei Patienten, deren Sprachkenntnis nicht ausreichend ist, um die Aufklärung zu verstehen, ist ein Dolmetscher oder eine andere sach- und sprachkundige Person hinzuzuziehen.

 

Die Beweislast für eine ausreichende Aufklärung liegt beim Arzt. Er muß nachweisen können, daß die Aufklärung vor dem Eingriff vorgenommen wurde und daß sich der Patient auch bei vollständiger Aufklärung über die Risiken und Folgen zu der Behandlung entschlossen hätte. Die Beweislast liegt auch dafür beim Arzt, daß er von einer Aufklärung hatte absehen dürfen, weil der Patient bereits von anderer Seite genügend aufgeklärt worden ist.

 

 

ÄP-Checkliste :

 

10 Punkte zur Aufklärungspflicht

 

Diese zehn Punkte sollten Sie beachten, damit Sie ihrer Aufklärungspflicht genüge tun. Sie müssen Patienten wenigstens informieren über:

 

  1. Art und Schwere der Belastungen, die ihn in seiner körperlichen Integrität und Lebensführung treffen.

  2. Die mit der Behandlung verbundenen Risiken. Darunter fällt auch das größtmögliche Risiko, das im schlimmsten Fall eintreten könnte.

  3. Die Zuverlässigkeit der gestellten Diagnose, sofern es für die Entscheidung des Patienten erkennbar von Bedeutung ist.

  4. Das Verhältnis von Notwendigkeit der Behandlung und möglichen Folgen oder Risiken.

  5. Unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen von verschiedenen Behandlungsmethoden.

  6. Eine neue Behandlungsmethode. Hier ist eine besonders umfassende Aufklärung notwendig. Insbesondere muß auf ungeklärte Risiken hingewiesen werden.

  7. Fragen des Patienten über ein erhöhtes Risiko, etwa bei Nebenwirkungen eines aggressiv wirkenden Medikaments, sind ausführlich und wahrheitsgemäß zu beantworten. Grundsätzlich muß der Arzt umfassender und genauer aufklären, wenn der Patient dies fordert.

  8. Die Aufklärungspflicht ist umso weitreichender, je weniger der Patient die Notwendigkeit des Eingriffs einsieht.

  9. Der Arzt ist auch zur Aufklärung verpflichtet, wenn er einen Eingriff nicht für notwendig hält, sondern dieser auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten geschieht. Dann sollte die Aufklärung so rechtzeitig erfolgen, daß der Patient nicht unter Entscheidungsdruck gerät

  10. Zusätzlich sollte der Arzt eine Sicherheitsaufklärung vornehmen. Diese erfolgt im Rahmen der Behandlung, nicht vorher. Hier muß der Patient informiert werden, wie er sich entsprechend der ärztlichen Therapie zu verhalten hat.

 Herbert Wild